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Kleiner Zettel – große Debatte: ein Streitgespräch zur Bonpflicht für Registrierkassen

Veröffentlicht am 13.03.2020

Die Bonpflicht für Registrierkassen – notwendiger Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit oder Papiermonster? Ein Streitgespräch zwischen Steuerverwaltung und Handelsvertretung.

 

Seit Anfang des Jahres 2020 ist das Kassengesetz in Kraft. Es regelt, wie Unternehmen mit Registrierkassen ihre Einnahmen zu verbuchen haben. Zum einen sind sie verpflichtet, bei jedem Buchungsvorgang einen Bon auszugeben, zum anderen müssen sie ihre Kassen mit der Technischen Sicherungseinrichtung (TSE) nachrüsten. Während Befürworter das Kassengesetz als großen Schritt feiern, um Steuersünder im Einzelhandel schneller zu identifizieren, kritisieren Gegner vor allem die verpflichtende Belegausgabe als bürokratisch und umweltschädlich. Die Bundesdruckerei lässt beide Parteien zu Wort kommen: Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), und Ralph Brügelmann, Steuerexperte des Handelsverbands Deutschland (HDE).

 

Herr Eigenthaler, Sie gelten als Befürworter der Bonpflicht für Registrierkassen. Welche Vorteile hat diese Regelung aus Ihrer Sicht?

Thomas Eigenthaler: Laut Hochrechnungen des Bundesrechnungshofs gehen dem Staat jährlich rund 10 Milliarden Euro an Steuergeldern durch die Lappen, weil Unternehmen ihre Bareinnahmen nicht korrekt verbuchen. Die sogenannte Bonpflicht, die 2016 mit dem Kassengesetz beschlossen wurde, soll die finale und fälschungssichere Buchung eines Bezahlvorgangs dokumentieren. Das heißt, sie zeigt dem Kunden, der per Gesetz das Anrecht auf einen Beleg hat, dass steuerlich alles korrekt abgerechnet wurde.

Herr Brügelmann, als Vertreter des Handelsverbands Deutschland kritisieren Sie die Bonpflicht als bürokratisch und nicht zielführend. Wieso?

Ralph Brügelmann: Als Vertreter des Einzelhandels kritisieren wir nicht das Kassengesetz als solches, weil auch wir uns gegen jede Art des Steuerbetrugs stellen. Was wir allerdings ablehnen, ist die damit einhergehende Belegausgabepflicht, weil wir darin keinen zusätzlichen Sicherheitsgewinn sehen. Denn das Kassengesetz und die ergänzende Kassensicherungsverordnung schreiben ohnehin die Technische Sicherungseinrichtung für elektronische Kassen vor. Diese speichert und verbucht automatisch alle Vorgänge so, dass sie nachträglich nicht mehr manipuliert werden können – egal, ob Stornos, Übungsbuchungen oder eben tatsächliche Abrechnungen für Kunden. In Deutschland beginnt diese Speicherung mit der ersten Eingabe und nicht erst, wenn der Bon gedruckt ist. Sprich: Die Buchung ist schon dank der TSE sehr fälschungssicher.

Thomas Eigenthaler: Es stimmt, dass die TSE im Hintergrund Daten für das Finanzamt speichert. Aber die Bonpflicht nutzt doch vor allem dem Kunden. Der kann sofort sehen, ob er es mit einem steuerehrlichen Unternehmen zu tun hat. Durch die verpflichtende Belegausgabe werden Verbraucher für das Steuerthema sensibilisiert. Denn es fällt auf, wenn ein Unternehmen den Bon grundsätzlich nicht ausdruckt. Die Bonpflicht ist aber nur ein Mosaikstein, um schwarze Schafe künftig schneller zu erkennen.

Ralph Brügelmann: Aber die Frage ist doch, ob der Kunde der richtige Ansprechpartner ist, um Steuertrickser zu identifizieren. Er ist schließlich nicht der verlängerte Arm des Finanzamts. Und diejenigen, die einen Bon wünschen, bekommen ihn ja auch heute schon. Das soll auch so bleiben. Nur die Pflicht zur Ausgabe des Belegs, egal, ob der Kunde diesen haben möchte, und egal, wie hoch der Betrag ist, sorgt nachvollziehbar für Unmut bei Einzelhändlern. Denn das ist mit entsprechendem Aufwand, nämlich der Aufrüstung der Kassensysteme, sowie hohen Kosten verbunden – und das ohne Sicherheitsgewinn, da die TSE ohnehin alle Vorgänge einspeichert. 

Was passiert, wenn ein Unternehmen den Beleg trotz Verordnung nicht druckt?

Thomas Eigenthaler: Momentan gibt es keine Sanktionen, wenn jemand der Bonpflicht nicht nachkommt. Aber wenn eine Betriebsprüfung kommt und festgestellt wird, dass gegen die Belegausgabepflicht verstoßen wurde, bekommt das Unternehmen eine höhere Risikoeinstufung. Es drohen Gewinnhinzuschätzungen durch das Finanzamt. Dies kann für viele das ökonomische Ende des Betriebs bedeuten.

Ralph Brügelmann: Dass es keine Sanktionen gibt, ist nur die halbe Wahrheit, denn für den Steuerpflichtigen kann nach vorheriger Androhung ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 Euro festgesetzt werden – auch mehrfach. Und was die Hinzuschätzungen angeht, bin ich bei Ihnen. Das kann für Unternehmen richtig schmerzhaft sein. Aber hier gab es auch schon Fälle, in denen Betriebsprüfer sagten: „Eine ausgeglichene Kasse – die gibt es nicht.“ Und dann gab es Hinzuschätzungen ohne konkreten Verdacht auf Steuerverkürzung. Künftig müsste dabei zusätzlich unterstellt werden, dass die TSE, die alle Umsätze erfasst, irgendwie umgangen wird. Solche Fälle wird auch kein zusätzlicher Papierbon ändern.

„Im Ausland ist der digitale Bon oftmals selbstverständlich.“

Steckbrief

Ralph Brügelmann ist Steuerexperte des Handelsverbands Deutschland (HDE). Der Verband vertritt die Interessen der rund 300.000 Einzelhandelsunternehmen in Deutschland. Die Kassenbonpflicht beurteilt der HDE als bürokratisch und umweltschädlich.

Thomas Eigenthaler ist Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), der gewerkschaftlichen Interessenvertretung des Personals der Steuerverwaltung. Das 2016 beschlossene Kassengesetz erschwert laut DSTG die Unterschlagung von Umsätzen und hilft, Steuerbetrüger leichter zu identifizieren. 

Mehr Papier bedeutet auch mehr Müll. Welche Rolle spielen Umweltaspekte in der Debatte um die Bonpflicht?

Ralph Brügelmann:: Tatsächlich kommen laut Schätzung etwa zwei Millionen Meter mehr Bons auf uns zu. In Zeiten, in denen über Nachhaltigkeit und große gesellschaftliche Veränderungen für den Umwelt- und Klimaschutz diskutiert wird, sollte das unbedingt bedacht werden. Neben dem Ressourcenverbrauch bedeutet dieses Mehr an Papierbons auch Kosten für die Händler. Zum Beispiel schätzt eine große Drogeriekette die Zusatzkosten auf jährlich etwa 750.000 Euro.

Thomas Eigenthaler: Ich empfinde die Umweltargumentation des Handels als Scheindebatte. Denn wenn wir einkaufen, sind überflüssige Plastikverpackungen ein viel größeres Problem als der Papierbon. Da sind die Menschen allerdings deutlich weniger umweltsensibel. Zudem obliegt es dem Handel, umweltfreundliches Papier zu verwenden oder den Bon digital auszugeben. Hier sind andere Länder schon viel weiter. Im Ausland ist der digitale Bon oftmals selbstverständlich. An dieser Stelle hat Deutschland Nachholbedarf, entsprechende verbraucherfreundliche und bezahlbare Techniken und Systeme anzubieten. 

Gibt es weitere Punkte, in denen wir vom Ausland lernen können, wenn es um die Bonpflicht oder mehr Steuergerechtigkeit im Einzelhandel geht?

Thomas Eigenthaler: Definitiv. Im Ausland sind Unternehmen beispielsweise oft verpflichtet, mit einer Registrierkasse abzurechnen, die Bezahlvorgänge entsprechend speichert. Das würde – in Kombination mit der Belegausgabepflicht – den Steuerbetrug im Einzelhandel noch weiter eindämmen. In Deutschland können kleine Läden einfach mit Taschenrechner, Edelstahlkassette und Bargeld abrechnen. Dann gilt auch keine Bonpflicht. Außerdem gibt es in vielen Ländern aktuell die Debatte, die Belegausgabepflicht nicht für Kleinstbeträge unter 10 oder 20 Euro anzuwenden. Auch über solche Ausnahmen wird in Deutschland aktuell diskutiert.

Ralph Brügelmann: Eine solche Debatte müssen wir in Deutschland aus Sicht des Einzelhandels nicht führen. Denn wir halten die Sonderregelung für Kleinstbeträge, die von der Bonpflicht ausgenommen sind, nicht für praktikabel. Die Programmierung in den Registrierkassen würde schon wieder deutlich höhere Kosten verursachen. Zudem möchten wir das Kassenpersonal nicht in eine Situation bringen, die im Alltag geschäftsschädigend sein kann. Wenn es im Feierabendverkauf voll ist, sollen Kassierer nicht entscheiden müssen, ob ein Bon aus der Kasse kommt, den sie ausgeben müssen, oder nicht. Das dauert länger und birgt das Risiko, dass das Kassenpersonal Fehler macht.

„Es geht nicht, einzelne Branchen von der Bonpflicht zu befreien.“

An dieser Stelle gibt es ja den Vorschlag der Bäckereien, sie als gesamte Branche auszunehmen, weil bei ihnen vor allem Kleinstbeträge abgerechnet werden. Wäre das eine Option?

Ralph Brügelmann: Nein, es geht nicht, einzelne Branchen von der Bonpflicht zu befreien. Das wäre anderen Unternehmen gegenüber diskriminierend und wir haben ein Gleichbehandlungsgebot. Ausnahmen bedürfen einer Einzelfallprüfung. Das Problem ist nur, dass die Vorgaben im Kassengesetz und dem dazugehörigen Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums so strikt formuliert sind, dass es quasi keine Möglichkeit gibt, eine Ausnahme von der Bonpflicht zu begründen. Beispielsweise sind zusätzliche Kosten kein Grund für eine persönliche Härte, um die Betriebe von der Bonpflicht zu befreien. 

Thomas Eigenthaler: Dazu muss man aber auch sagen, dass die Anträge auf Befreiung von der Bonpflicht, die den Finanzämtern aktuell vorliegen, überwiegend falsch begründet sind – oft mit dem Umweltargument. Grundsätzlich gilt, dass man sich in einem Streitfall immer den konkreten Betrieb angucken muss. Man muss entscheiden, ob es eine individuelle Unzumutbarkeit gibt oder nicht. Da müssen wir aber auch erst einmal Erfahrungen sammeln. Ich denke, dass erst die Praxis zeigen wird, wo noch Nachbesserungsbedarf besteht. Allerdings finde ich auch, dass die Finanzministerien die Verbraucher viel früher hätten informieren und aufklären müssen. Dafür waren drei Jahre Zeit. Diese Debatte jetzt, nach Inkrafttreten des Gesetzes, zu führen, hilft nicht weiter. Wir müssen nun Erfahrungen sammeln und dann Fallgruppen abbilden, Experten wie Herrn Brügelmann und mich einladen und gemeinsam nach praktikablen Lösungen suchen.

Ralph Brügelmann: Die Lösung sieht der Einzelhandel zwar nicht in Form der Bonpflicht, aber wo wir uns einig sind, ist, dass wir Anwendungen finden müssen, die den ehrlichen Händlern nutzen und die Steuertrickser überführen. Einen Expertenaustausch befürworte ich und schlage direkt vor, dass wir beide uns einmal zusammensetzen. 

Thomas Eigenthaler: Sehr gerne. Wir könnten einen Spaziergang unternehmen und spaßeshalber gemeinsam gucken, wie viele Geschäfte der Bonpflicht bereits nachkommen.

Vielen Dank für das Gespräch.